Krieg in der Ukraine: Wie Sie die Kinder trösten können
Text: Annika Fischer, Fotos: Ralf Rottmann/Funke Foto Services
Edineț/Bukarest/Charkiw. Larissa mit den blonden Zöpfen hat gelernt sich zu verstecken, aber es war kein Spiel. Es gab auch niemanden, der die Vierjährige gesucht hätte, das Haus in Mykolajiw war längst leer. Im März, nach zwei Wochen Krieg, nahm auch ihre Mama Aljona die Kinder an die Hand; mit Larissa und dem zehnjährigen Daniil floh sie über Odessa, Ukraine, über Chișinău, Moldau, bis nach Bukarest, Rumänien. Drei Länder, in denen die Kindernothilfe erst aktiv ist, seit Aljona, Larissa und Daniil auf der Flucht sind vor den russischen Bomben – aber in dieser Zeit hat sie schon 20.000 Kinder erreicht. Kriegskinder. Ihnen wollen wir mit der diesjährigen Weihnachtsspendenaktion helfen.
"Das sind Leute wie ich, die ein ruhiges, friedliches Leben hatten"
Sein wie Nika, 33, aus Odessa, die erst ging, als die Bomben immer lauter wurden und ihre Zwillinge sich an den Krach schon gewöhnt hatten. Die nun so weit weg will, wie es eben geht, und nicht ruhen, „bis meine Kinder gute Schulen haben“. Sein wie Natalia, 35, aus Cherson, die nur eine Viertelstunde hatte, bis sich der letzte Flucht-Korridor schloss, und dann beschossen die Russen das Auto der Bäckerin mit den zwei Töchtern darin. Wie Swetlana aus Charkiw oder Katerina aus Cherson, die schwanger waren, als sie ihr Zuhause verließen – ihre Männer kämpfen im Krieg. Und sie könnten wie Aljona sein.
Juristin Aljona arbeitet in Bukarest als Putzfrau
Mit Larissa und Daniil landete sie erst in einer Kirche, später bei einer Frau in Bukarest. Sie habe in Haus und Garten geholfen; vom Geld, das der rumänische Staat für Flüchtlinge zahlt, die privat unterkommen, sah sie nichts. Über den Kindernothilfe-Partner fand sie woanders Unterschlupf, sie bekam Medikamente für ihren kranken Magen und gegen Daniils Allergien. Sie lernt jetzt Rumänisch und Englisch und hat einen Job. Als Putzfrau, entschuldigt sich die Juristin, „ich kenne ja nur die ukrainischen Gesetze“.
Aljona hatte nicht einmal einen Koffer und noch keinen Stempel im Pass
Anfangs besorgten sie Matratzen, dann packten sie Lebensmittelpakete
Dabei hatte die Hilfsorganisation wenig Erfahrung mit Sofort- und Notfalleinsätzen. Die meisten der neuerdings acht Projektpartner der Kindernothilfe in Moldau und Rumänien kümmern sich um benachteiligte Jugendliche, solche, die am Rande der Gesellschaft leben. Dann aber kam schon am Tag des ersten russischen Angriffs der Anruf, ob man nicht helfen könne? Da waren die ersten Flüchtlinge schon so gut wie da. Die jungen Leute in den Zentren rückten zusammen, anfangs schleppten sie Matratzen heran, aber dann hatten die Familien nichts zu essen. Dann packten sie Lebensmittelpakete, aber dann hatten die Menschen nichts anzuziehen. Sie besorgten Sommerkleider, aber die Kinder wuchsen, und nun ist schon wieder Winter.
"Wir hatten das Gefühl, wir müssen was tun"
Kindernothilfe hilft Kriegskindern in zehn Projekten in drei Ländern
Die 42-Jährige ist bei Concordia zuständig dafür, das Geld zu beschaffen, das sie nicht hatten: Innerhalb Europas, lassen die Hilfsorganisationen durchblicken, fließen Spendenmittel nicht gerade üppig. Dass die Kindernothilfe mit einstieg, in zehn Projekten mitarbeitet am Aufbau der Flüchtlingshilfe, lässt nicht nur Diana nun manchmal durchatmen: Neulich hat sie mal wieder Kindern vorgelesen, sie liebt diese ruhigen Stunden, in denen sie selbst etwas tun kann. Ein kleines Mädchen hörte still zu. „Danke“, sagte die Mutter später, „dass Sie meinem Kind ein Lächeln gegeben haben. Das habe ich seit Wochen nicht gesehen.“ Diana erinnert sich daran mit Tränen in den Augen.
Im November, nach 37 Wochen Krieg, spielt Larissa wieder, die Tochter von Aljona aus Mykolajiw. Kein Verstecken, das mag sie nicht gern. Aber sie hat eine lustige Puppe gebastelt aus einer Socke und trägt ein T-Shirt aus dem vollgestopften Kleiderregal im Flur. Es gibt ein großes Regal für große Leute, in dem neulich eine Frau in der Nacht verschämt nach Unterwäsche suchte. Und es gibt ein kleines für kleine Leute: Auf dem Shirt von Larissa steht: „Smile every day“, Lächle jeden Tag.
Über die Autorin
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Den kleinen Familien fehlt es oft am Nötigsten, nur von Heimweh und Kummer haben sie viel. Ihr Beitrag hilft dabei, die Not der Menschen zu lindern.