Kindernothilfe. Gemeinsam wirken.

Vom Leben und Tod im Kinderhospiz: ein Tabuthema im Kinderradio

TextEsther Krause, Bilder: Kindernothilfe

Jana Magdanz gewann den "Preis der Kinderjury" bei der Kindernothilfe-Medienpreisverleihung 2024 mit ihrer MausLive-Sendung zum Hören "Wenn der Tod allgegenwärtig ist: Im Kinderhospiz". In diesem Interview erzählt sie über ihre Erfahrungen bei der Recherche und Produktion und wie der Radiobeitrag von den jungen Ohren aufgenommen wurde.

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Das Thema "Kinderhospize" ist kein leichtes Thema. Wie sind Sie darauf aufmerksam geworden? Was hat Sie inspiriert, eine Kinderreportage über das Thema zu machen?

Als ich im Jahr 1997 bei der Sendung mit der Maus angefangen habe, wurde dort die "Geschichte von Katharina" gesendet, einem Mädchen, das unheilbar krank zur Welt kam und mit sieben Jahren starb. Damals war es für mich eine Offenbarung, dass darüber im Kinderfernsehen gesprochen wurde. Seitdem versuche ich, neben all die unterhaltsamen, leichten Programmpunkten, die in Kindermedien wichtig und richtig sind, auch die anderen zu stellen. Die Themen, bei denen viele Erwachsene ein betroffenes Gesicht machen, an die Kinder aber unvoreingenommen und wissbegierig herangehen.
Neben meiner journalistischen Arbeit nehme ich im Auftrag der Familienhörbuch gGmbH die Lebensgeschichte unheilbar erkrankter junger Eltern auf. Sie hinterlassen ihren minderjährigen Kindern dabei einen persönlichen Schatz an Erinnerungen. Manchmal führt mich eine solche Aufnahme ins Hospiz oder auf eine Palliativstation. Dadurch verschwanden bei mir Berührungsängste mit dem Thema Tod. Und mir ist aufgegangen, dass von solchen Orten viel zu selten berichtet wird. Aber nur, wenn wir über den Tod Bescheid wissen, können wir darüber nachdenken, wie die Menschenwürde bis zum letzten Atemzug und darüber hinaus gewahrt werden kann.
Erst im Zuge meiner Recherchen und Besuche im Kinderhospiz wurde mir klar, dass sich Erwachsenen- und Kinderhospize in vielerlei Hinsicht voneinander unterscheiden.


Welche Rolle spielen Kinderhospize in der Unterstützung von Kindern und ihren Familien?

Das Angebot von Kinderhospizen gilt für Kinder und deren Familien ab dem Moment, wenn eine unheilbare, lebensverkürzende Krankheit diagnostiziert wird. Viele Betroffene haben mir erzählt, dass ihnen das zunächst gar nicht klar war. Lange haben sie den Alltag mit ihrem schwerkranken, pflegebedürftigen Kind allein gestemmt, weil sie dachten, Hospize seien für das unmittelbare Lebensende da. Im Falle von Kindern ist das anders: Das Team eines Kinderhospizes entlastet Familien für bis zu vier Wochen im Jahr. Sie können dort eine Art sicheren Urlaub vom Alltag genießen, bei dem ihr Kind professionell versorgt wird, während es für Geschwisterkinder ein eigenes Programm gibt und Eltern ausschlafen und sich bekochen lassen können. Es sind bunte, fröhliche Häuser, in denen viel gelacht wird und Clowns und Therapiehunde zu Besuch kommen. Bei diesen Aufenthalten atmen alle auf und lernen das Personal gut kennen, so dass sie sich, wenn es wirklich auf den Tod ihres Kindes zugeht, auffangen und begleiten lassen können.

Können Sie uns etwas über Ihre persönlichen Erfahrungen und Herausforderungen bei der Recherche und Produktion erzählen?

Die Begegnungen mit den Familien haben mich mit großem Respekt erfüllt. Ich kenne einen anstrengenden Familienalltag aus eigener Anschauung. Aber all das mit einem Kind zu bewältigen, dass vielleicht Krampfanfälle hat, nachts Episoden mit Atemnot durchlebt und immer wieder operiert werden muss - das ist Leben im Ausnahmezustand. Das Überraschende für mich: Bei all der Anstrengung, Müdigkeit, trotz der vielen Sorgen gab es in diesen Familien so viel Liebe, Lachen und auch Leichtigkeit, dass ich mich durch die Zeit der Reportagen wie getragen gefühlt habe. Wenn der Tod keine abstrakte, ferne Größe ist, sondern eine Realität, die jederzeit eintreten kann, scheint es eine andere Wertschätzung für jeden miteinander verbrachten Tag zu geben. Und die rund 20 Kinderhospize in Deutschland geben den Familien die Sicherheit, sich immer an sie wenden zu können, wenn die Kraft gar nicht mehr reicht.


Wie bereitet man so ein Thema kindgerecht auf?

Das Schöne an einem Radioprogramm für Kinder ist es, dass es zu einem großen Teil auch Programm mit Kindern ist. Und der sicherste Wegweiser bei heiklen Themen, sind die Kinder selbst. All das, was Kinder ohne Scheu zu Krankheit und Tod aussprechen, gibt mir bei meiner Arbeit den Ton vor.

Was haben Sie von der Zusammenarbeit mit den Kindern in den Hospizen gelernt und welche Eindrücke haben Sie besonders in Erinnerung?
Ich war mir vor den Aufnahmen nicht sicher, wie ich auf die schwerkranken Kinder zugehen sollte, um etwas über ihren Umgang mit ihrer Situation und ihren Blick auf Leben und Tod zu erfahren. Sie geradeheraus fragen? Diese Sorgen haben mir alle im Kinderhospiz genommen. Kinder wundern sich viel seltener als Erwachsene über direkte Fragen. Und wenn sie Fragen blöd finden, sagen sie das. Im Kinderhospiz darf aber über alles gesprochen, es darf gelacht und geweint werden. Und es macht mich nicht zu einer schlechteren Reporterin, wenn mir bei meiner Arbeit die Tränen herunterlaufen.

 

Wie war die Reaktion der Zuschauer*innen und Hörer*innen?

Viele Erwachsene haben mir erzählt, dass es ihnen schwergefallen ist, überhaupt den Play-Button zu drücken oder die Sendung in einem Rutsch zu hören. Die heftigen Gefühle haben eine Abwehrreaktion ausgelöst. Die Kinderjury bei der Preisverleihung in der AXICA hat mich sehr beruhigt: Das Medium Radio hätte ihnen ermöglicht, eine gewisse innere Distanz zu wahren, weil sie - anders als bei einem visuellen Medium - ihre eigenen Bilder im Kopf hatten. Das habe ihnen Sicherheit gegeben und das eigentlich unerträgliche Thema ein wenig erträglicher gemacht.

Durch den Gewinn des Preises der Kinderjury wird deutlich, dass Ihr Thema bei Kindern Anklang findet. Was bedeutet Ihnen das?

Es bestärkt mich darin, auf diesem Weg weiterzumachen und über Themen zu berichten, die Zuhörende herausfordern und Tabus brechen. Allerdings im Kinderradio so, dass die Berichterstattung zum Nachdenken und Weiterforschen anregt und niemanden überfordert.

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