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Kenia: Sheilah Nasong’o – vom Patenkind zur Projektmanagerin

Text: Gunhild Aiyub Bilder: privat

Thomas Math war erst 19, als er seine erste Patenschaft übernahm. Inzwischen hat er fünf Kinder unterstützt – mit Sheilah Nasong’o steht er bis heute in Kontakt und lernte sie sogar persönlich kennen. Wegen ihrer hervorragenden Noten kam die Kenianerin zu einem Einsatz in dem weltweit tätigen Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim in Rheinland-Pfalz. Später traf sie unseren Bundespräsidenten. Ihr Pate ist sehr stolz auf sie und sie sehr glücklich, dass er mit seiner Förderung den Grundstein für ihre Karriere gelegt hat.

Sheilah Nasong’o kommt aus einer großen Familie mit fünf Geschwistern. Ihr Vater starb, als sie noch ein Kind war. Ihre Mutter musste zusehen, wie sie ihre Kinder durchbrachte. Das Geld war immer knapp, aber sie tat alles, um gut für sie zu sorgen. „Unser Fels in der Brandung“ nennt Sheilah Nasong’o sie dankbar. Und eins lag ihrer Mutter besonders am Herzen: „Sie hat uns vermittelt, wie wichtig Bildung ist, und hat uns ermutigt, sie ernst zu nehmen. Das war für mich nicht schwer, ich habe immer gerne gelernt, was sich auch in meinen guten schulischen Leistungen widerspiegelte.“

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Mädchen in einem langen schwarzen Kleid mit einer blauen Verzierung (Quelle: privat)
Sheilah Nasong'o, als sie in die Grundschule kam (Quelle: privat)
Mädchen in einem langen schwarzen Kleid mit einer blauen Verzierung (Quelle: privat)
Sheilah Nasong'o, als sie in die Grundschule kam (Quelle: privat)

Die junge Kenianerin besuchte zunächst die Webuye AC Grundschule in Bungoma im Westen Kenias. Als sie in der letzten Klasse war, brachte eine Mitschülerin, die zwei Jahre vor ihr die Grundschule abgeschlossen hatte, einen Stapel Formulare vorbei. Sie war inzwischen im Starehe Girls‘ Centre, einem Kindernothilfe-Projekt in Nairobi, aufgenommen worden. Das Mädchen wollte, dass auch andere an ihrer ehemaligen Schule diese Chance bekamen. Das Zentrum ermöglicht Kindern aus armen Familien, ihre Schulausbildung fortzusetzen – einzige Voraussetzung sind gute Noten. Sheilah Nasong’o war begeistert: „Starehe würde mich die ganzen vier Jahre meiner Sekundarschulzeit fördern. Das war eine Riesenchance für mich!“ Mit Unterstützung ihrer Lehrer und ihrer Mutter füllte sie das gelbe Formular aus und schickte es ans Starehe Girls‘ Centre. Danach stürzte sie sich mit noch mehr Eifer in ihre letzten Prüfungen – und bestand sie mit großem Erfolg!

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Ein Mädchen in Schuluniform spielt in einem Klassenzimmer auf einem Keyboard (Quelle: privat)
Sheilah als Schülerin im Starehe Projekt (Quelle: privat)
Ein Mädchen in Schuluniform spielt in einem Klassenzimmer auf einem Keyboard (Quelle: privat)
Sheilah als Schülerin im Starehe Projekt (Quelle: privat)

„Einer der glücklichsten Tage meines Lebens“

Die Leitung des Kindernothilfe-Projekts würdigte die Anstrengungen der jungen Schülerin: „Der Tag, an dem ich den Aufnahmebrief für Starehe erhielt, zählt bis heute zu den glücklichsten Tagen meines Lebens! Ich wage zu sagen, dass dies der Wendepunkt meines Lebens war! Meine Zeit im Starehe Girls’ Centre war wunderbar. Es war mehr als nur eine Schule – es war ein Zuhause. Wir bekam hier alles, was wir brauchten, und wir wurden von fürsorglichen Lehrkräften betreut. Disziplin und Verantwortung standen im Mittelpunkt des Lebens als ‚Stareheian‘, und diese Werte begleiten mich bis heute.“

Besonders beeindruckend fand Sheilah Nasong‘o, dass alle Schülerinnen aus ähnlich benachteiligten Verhältnissen wie sie stammten. „Wir haben ein gemeinsames Zuhause gefunden und Freundschaften geschlossen, die bis heute bestehen“, erzählt sie strahlend. Sie engagierte sich bei mehreren außerschulischen Aktivitäten, zum Beispiel im Programm „Duke of Edinburgh Award“. Das ist „eine globale Auszeichnung für junge Menschen, die sie ermutigt, ihre Potenziale zu entfalten und sich als Persönlichkeiten zu entwickeln“, heißt es auf der Webseite des Awards. „Über ehrenamtliches Engagement, die Entwicklung universeller Fähigkeiten, sportliche Aktivitäten und das Entdecken von Abenteuerfreude und Teamgeist inspiriert das Programm junge Menschen, aktiv zu werden, über sich hinauszuwachsen und herauszufinden, was in ihnen steckt.“

Arbeitgeber suchen gezielt nach Jugendlichen, die dieses Programm durchlaufen haben, denn sie besitzen Selbstvertrauen, Resilienz, Teamfähigkeit, sie sind kreativ, können kommunizieren und haben gelernt, Probleme zu lösen. Sheilah Nasong‘o engagierte sich zudem leidenschaftlich bei Musik- und Theaterfestivals, nahm an nationalen Wettbewerben teil und entwickelte ihr Talent für Poesie, öffentliches Reden und Schauspiel. „Es war eine Zeit, in der ich mich sowohl akademisch als auch persönlich entfalten konnte.“
 

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Eine junge Frau hält das Foto eines Mannes hoch (Quelle: privat)
Sheilahs Pate Thomas Math (Quelle: privat)
Eine junge Frau hält das Foto eines Mannes hoch (Quelle: privat)
Sheilahs Pate Thomas Math (Quelle: privat)

Der Pate aus Deutschland

Wie die Förderung bei Starehe organisiert wurde und wer ihren Aufenthalt finanzierte, fand Sheila Nasong’o erst in ihrem zweiten Jahr dort heraus. Sie erfuhr, dass ein Pate der Kindernothilfe aus Deutschland dahintersteckte, aber wer genau diese Person war, wusste sie nicht. Das sollte sich bald ändern, denn eines Tages bekam sie Post von Thomas Math. Die Schülerin war glücklich: „Nun hatte ich ein Gesicht und einen Namen zu dem Menschen, der meine Ausbildung ermöglichte. Das war ein unbeschreibliches Gefühl! Es motivierte mich, noch härter zu arbeiten, denn ich wollte ihn keinesfalls enttäuschen. Ich schrieb ihm regelmäßig über meinen Fortschritt in der Schule und meine Aktivitäten. Es war für mich eine Ehre, seine Unterstützung zu haben, und ich war ihm unendlich dankbar.“
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Eine junge Kenianerin und ein Deutscher lachen in die Kamera (Quelle: privat)
Zum ersten Mal trifft das ehemalige Patenkind seinen Paten persönlich (Quelle: privat)
Eine junge Kenianerin und ein Deutscher lachen in die Kamera (Quelle: privat)
Zum ersten Mal trifft das ehemalige Patenkind seinen Paten persönlich (Quelle: privat)

Mit Bestnoten zur Uni


Als Sheila die Sekundarschule mit der Bestnote A abschloss, waren der Saarländer und seine Familie sehr stolz. Sie blieben auch weiterhin mit ihr in Kontakt, während sie an der Moi University Maschinenbau und Produktionstechnik studierte und 2017 ihren Bachelor machte. „Durch mein Studium habe ich die Möglichkeit, in verschiedenen Positionen in der Fertigungsbranche zu arbeiten und später in den Bereichen Prozessoptimierung und Projektmanagement tätig zu sein“, berichtet die Kenianerin. Mit dem Starehe Girls’ Centre ist sie bis heute verbunden geblieben. Sie hat sogar mit ihren ehemaligen Klassenkameradinnen zwei Schülerinnen erfolgreich während ihrer gesamten Schulzeit gefördert.
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Eine junge Frau im schwarzen Talar und mit Doktorhut (Quelle: privat)
Mit Bestnoten kam sie zur Uni (Quelle: privat)
Eine junge Frau im schwarzen Talar und mit Doktorhut (Quelle: privat)
Mit Bestnoten kam sie zur Uni (Quelle: privat)
Vor einiger Zeit erfuhr Sheilah Nasong’o von einem Stipendienprogramm namens „Afrika kommt!“, das die vielversprechendsten Nachwuchsführungskräfte Afrikas mit führenden deutschen Unternehmen zusammenbringt. Die Unternehmen profitieren von der Expertise, den lokalen Netzwerken und der afrikanischen Perspektive der jungen Leute; die wiederum bekommen einen Einblick in die deutsche Wirtschaftswelt, das Unternehmertum, in die deutsche Gesellschaft und Kultur. Das Programm ist äußerst begehrt, und nur eine kleine Anzahl von Teilnehmenden wird unter Tausenden nach einem strengen Auswahlverfahren ausgewählt.
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Treffen mit dem deutschen Bundespräsidenten

Sheilah Nasgon‘o bewarb sich im Rahmen dieses Programms für eine Stelle bei Boehringer Ingelheim als Business Process Excellence Manager und wurde im Jahr 2023 angenommen. Der einjährige Aufenthalt der heute 31-Jährigen beinhaltete Deutschkurse am Goethe-Institut in Bonn, eine Phase im Unternehmen und abschließende Studienreisen. „Ein Höhepunkt war das Treffen mit dem Bundespräsidenten im Schloss Bellevue in Berlin“, schwärmt die junge Kenianerin. „Ich durfte als Sprecherin unserer 42-köpfigen Projektgruppe eine Rede halten. Auf Deutsch! Es war eine unglaubliche Ehre, den Präsidenten zu treffen, und es zeigt, wie sich Türen öffnen können, wenn man seine Chancen ergreift.“
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Sheilah Nasong'o, ehemaliges Patenkind aus Kenia, mit Bundespräsident Steinmeier (Quelle: privat)
Ein besonderes Highlight: ein Treffen mit Bundespräsident Steinmeier (Quelle: privat)
Sheilah Nasong'o, ehemaliges Patenkind aus Kenia, mit Bundespräsident Steinmeier (Quelle: privat)
Ein besonderes Highlight: ein Treffen mit Bundespräsident Steinmeier (Quelle: privat)
Thomas Math und seine Familie luden ihr ehemaliges Patenkind ein, sie über Weihnachten zu besuchen. „Mein erstes deutsches Weihnachten! Es war eine wunderschöne Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Die Weihnachtsmärkte, der Glühwein (wenn auch nur in kleinen Mengen für mich!) und die festliche Stimmung waren bezaubernd.“
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Sheilah Nasong'o mit einer Kollegin bei Boehringer Ingelheim, in der Hand hält sie eine Urkunde ihres Arbeitgebers (Quelle: privat)
Sheilah Nasong'o mit ihrer Chefin bei dem Unternehmen Boehringer Ingelheim (Quelle: privat)
Sheilah Nasong'o mit einer Kollegin bei Boehringer Ingelheim, in der Hand hält sie eine Urkunde ihres Arbeitgebers (Quelle: privat)
Sheilah Nasong'o mit ihrer Chefin bei dem Unternehmen Boehringer Ingelheim (Quelle: privat)

Im Oktober 2024 ging der Deutschlandaufenthalt im Rahmen des Programms „Afrika kommt!“ zu Ende. Sheilah Nasong’o kehrte nach Kenia zurückgekehrt, um mit ihrer Familie Weihnachten zu feiern. „Es ist ein Jahr her, seit ich sie zuletzt gesehen habe, und ich freue mich riesig auf sie“, schrieb sie uns vor ihrer Abreise. „Ich plane, nach Deutschland zurückzukehren, um hoffentlich weiterhin bei Boehringer Ingelheim zu arbeiten. Ich möchte mich beruflich als zertifizierte Projektmanagerin etablieren, langfristig in Deutschland Fuß fassen und hier eine Familie gründen.“ Thomas Math und seine Familie wären sehr glücklich, ihr ehemaliges Patenkind so nah bei sich zu haben!

Inzwischen ist die engagierte Kenianerin wieder nach Deutschland zurückgekehrt und startet im Februar erneut bei Boehringer Ingelheim. Wir sind sehr gespannt, wie ihr Lebensweg weiter verlaufen wird!


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Gunhild Aiyub (Quelle: Jakob Studnar)
Gunhild Aiyub ist seit 1986 Redakteurin bei der Kindernothilfe und zuständig für die Kindermedien, den Jahresbericht und das Kindernothilfe-Magazin. 
    

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