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Neue Rekordwerte bereiten uns Kopfzerbrechen

Der bekannte Meteorologe und Fernsehmoderator ist seit Januar 2024 Botschafter für die Kindernothilfe und spricht im Interview über den Klimawandel, die Rolle der Industrieländer und die Folgen für Länder des Globalen Südens.


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Laut des EU-Klimadienstes Copernicus haben wir die vom Pariser Klimaabkommen vereinbarte Marke von 1,5 Grad Celsius überschritten. Was heißt das?

Ganz konkret: Die Erwärmung schreitet schneller voran, als es die meisten Klimaszenarien gezeigt haben. Im 1,5-Grad-Sonderbericht des Weltklimarats von 2018 stand noch, dass das 1,5-Grad-Ziel im langjährigen Mittel um das Jahr 2040 herum überschritten wird. Die aktuelle Erwärmung zeigt allerdings: Es wird viel schneller gehen. Deshalb müssen wir uns noch schneller und intensiver um eine CO 2 -Reduktion, aber auch um eine Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels kümmern.

Was genau bedeuten 1,5 Grad wirklich?

Bei allen meteorologischen Parametern und in allen Regionen der Erde erleben wir neue Rekordwerte – und das bereitet uns Kopfzerbrechen. Nur ein Beispiel: Allein in der ersten Aprilhälfte 2024, also in nur 15 Tagen, wurden in 164 Ländern der Erde neue Temperaturrekorde erreicht! So etwas gab es noch nie. Um die 1,5 Grad zu übersetzen: Eine weltweite Erwärmung im langjährigen Mittel um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erhöht die Temperaturen in den sommerlichen Hitzewellen in Deutschland um fünf bis sechs Grad.

Länder des Globalen Südens leiden extrem unter den Folgen der Klimakrise. Wie schätzen Sie die Lage in den kommenden zehn Jahren ein?

Wir erwarten das, was sich in den vergangenen zehn Jahren immer häufiger zeigte: eine weitere Zunahme von Hitzewellen, die sogar einige heiße Regionen der Erde unbewohnbar werden lassen. Außerdem rechnen wir mit einer stärkeren Veränderung von Regen- und Trockenzeiten, mit denen Menschen weltweit zu kämpfen haben. Das bedeutet Probleme in der Landwirtschaft. Der Weltklimarat schreibt über die Möglichkeit, dass wir gleichzeitig in allen großen Kornkammern der Erde Dürreperioden erleben werden, die zu massiven Ernteausfällen führen können. Die stärkste Veränderung durch den Klimawandel wird in den nächsten Jahrzehnten die Küstenregionen betreffen. Wir erwarten in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts einen deutlich spürbaren Anstieg des Meeresspiegels. Davon werden die meisten Menschen im Globalen Süden betroffen sein.

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Ein Mädchen steht vor ausgetrockneten Ästen in Äthiopien. (Quelle: Jakob Studnar)
In Ländern wie in Äthiopien leiden besonders die Kinder unter den Folgen der Klimakrise (Foto: Jakob Studnar)
Ein Mädchen steht vor ausgetrockneten Ästen in Äthiopien. (Quelle: Jakob Studnar)
In Ländern wie in Äthiopien leiden besonders die Kinder unter den Folgen der Klimakrise (Foto: Jakob Studnar)

Welche Rolle spielen Industrieländer bei der Verantwortung für den Klimawandel sowie bei der Unterstützung für am stärksten betroffene Länder?

Die Industrieländer spielen die größte Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels. Einerseits tragen sie die historische Verantwortung, weil sie seit Jahrzehnten die Hauptemittenten der Klimagase, vor allem des Kohlendioxids sind. Sie sind also in ganz großem Maße die Verursacher des Klimawandels und haben damit eine Bringschuld. Auf der anderen Seite haben die Industrienationen die technischen und finanziellen Möglichkeiten, den Klimaschutz effektiv voranzutreiben.

Wie können wir die Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise global gerechter gestalten? Ist ein Bekämpfen der Klimakrise überhaupt noch möglich oder sollten wir stattdessen von einer Milderung der Klimakrise sprechen?

Wir wissen alle, dass die Anstrengungen beim Klimaschutz nach wie vor nicht ausreichen, um die Pariser Klimaziele auch nur annähernd zu erreichen. Deshalb sieht es aktuell danach aus, dass die Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts nicht 1,5 bis 2 Grad betragen wird, sondern eher 2,7 Grad. Das ist deutlich zu viel. Wir sehen aber auch, dass es weltweit Anstrengungen gibt, vor allem den Energiesektor und auch die Industrieproduktion zu transformieren. Ich hoffe, dass wir es dadurch schaffen, uns von den 2,7 Grad ein paar Zehntel Grad nach unten zu bewegen. Ein wirkliches „Bekämpfen“ der Klimakrise sähe in der Tat anders aus.

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Über die Autorin

Redakteurin Katharina Draub

Katharina Draub

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katharina.draub@kindernothilfe.de

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