Burundi: Die „Mutter des Lichts“ bringt Hoffnung ins Dorf
Text: Katharina Nickoleit Bilder: Christian Nusch
Im bitterarmen Burundi herrscht Unterernährung, besonders bei Kindern. Weil der Staat keine Ressourcen hat, sich darum zu kümmern, übernehmen Ehrenamtliche die Verantwortung dafür, dass die Jüngsten ausreichend versorgt werden. Die Kindernothilfe unterstützt sie dabei.
Der kleine David (Name geändert) ist sichtlich irritiert, als Joselyne Irankunda ihm das Messband um den Oberarm legt. Während der zweijährige lautstark protestiert, lächelt Joselyne fröhlich. „Vor vier Monaten war das Band noch im tiefroten Bereich. Jetzt ist es grün!“ Dass der kleine Junge nicht mehr gefährlich unterernährt ist, sondern nun ein gesundes Gewicht hat, ist ihr Verdienst. Ein Erfolg, den sie als „Maman Lumiére“ errungen hat.


Mehr als 50 Prozent unterernährte Kinder im ärmsten Land der Welt
.Das kleine Burundi ist mit seinen 14 Millionen Einwohner das ärmste Land der Welt. Mehr als die Hälfte der Kinder sind chronisch unterernährt. Sich um sie zu kümmern, wäre eigentlich die Aufgabe der Gesundheitszentren, doch davon gibt es viel zu wenige. Damit trotzdem jemand ein Auge darauf hat, dass die Kinder in den Dörfern ausreichend ernährt und gesund sind, wurde 2013 mit Unterstützung von UNICEF die Position der „Maman Lumière“, „Mutter des Lichts“ geschaffen.
Joselyne ist eine von ihnen. 32 Jahre alt und Mutter von drei Kindern. Wie alle ihre Nachbarn im Dorf Ndava in der Provinz Cibitoke lebt sie von dem, was ihr Feld abwirft. Eigentlich ist sie also bereits voll ausgelastet. Trotzdem hat sie sich dafür entschieden, ehrenamtlich für das Wohl der Kinder ihrer Nachbarschaft zu sorgen. „Ja, es kostet viel Zeit und Energie. Aber es ist richtig und wichtig, zu helfen.“ Ihre Hauptaufgabe ist es, regelmäßig alle Kinder im Dorf zu besuchen. „Ich wiege und messe sie und wenn ich sehe, dass Unterernährung droht, berate ich ihre Mütter, wie sie sie besser ernähren können.“ Joselyne gibt Kochkurse, erklärt, warum es wichtig ist, die Kleinen ausgewogen zu ernähren, und welches Gemüse wichtige Vitamine und Mineralien enthält. „Eigentlich wächst hier in der Gegend ja alles, was man braucht: Bananen, Spinat, Bohnen, Reis – aber die Menschen wissen zu wenig darüber.


Der Kindernothilfepartner unterstützt 50 "Mütter des Lichts"
Wie sie all das in ihren Küchengärten anbauen und trotz Extremwettern, die durch die Klimaerhitzung verursacht werden, genug ernten können, lernen die Familien in Selbsthilfegruppen. Die haben sie mit Unterstützung des Kindernothilfepartners ins Leben gerufen. Jeder Selbsthilfegruppe ist eine dieser ehrenamtlichen Mamans Lumière zugeordnet, sodass die Familien auch gesundheitlich beraten werden. Joselyne betreut drei dieser Gruppen, kommt zu den wöchentlichen Treffen dazu und kümmert sich außerdem um diejenigen, die sich keiner Gruppe angeschlossen haben. Neben der Ernährungsberatung gehört auch die Aufklärung über Hygiene zu ihren Aufgaben – durch verschmutztes Wasser hervorgerufenen Durchfallerkrankungen sind eine der Hauptursachen für die noch immer hohe Kindersterblichkeit in Afrika südlich der Sahara.
Die Verantwortung für die Maman Lumière liegt zwar beim Staat. Doch um die Ausbildung der Frauen und ihre laufenden Ausgaben für Transport oder zusätzliche Nahrungsmittel zu bezahlen, braucht es die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen . Der Kindernothilfepartner Help Channel Burundi hat das für Joselyne und 49 weitere Frauen übernommen. Besonders wichtig waren dabei die MUAC-Messbänder und ihre Anwendung. MUAC steht für Mid-Upper Arm Circumference. Misst man bei einem Kleinkind den mittleren Oberarmumfang, erkennt man sofort, ob das Kind unter akuter Mangelernährung leidet und behandelt werden muss.


„Eine wie Joselyne hätte meinen Kindern viel Leid erspart“
Der kleine David, der heute zur Nachuntersuchung gekommen ist, war so schlecht dran, dass Joselyne ihn umgehend ins nächste Krankenhaus einwies. Er war nicht nur stark unterernährt, sondern hatte außerdem noch Malaria. Ashula Uwimana ist noch immer beeindruckt von der Kompetenz, die ihre Maman Lumière an diesem Tag bewies. „Sie ist wirklich toll ausgebildet! Erkannte auf einen Blick, dass dringend etwas getan werden muss, und hat umgehend gehandelt.“ Die 36-Jährige hat sechs Kinder. Wenn sie an früher zurückdenkt, daran, wie es war, als ihre Älteste klein war und krank wurde und es einfach niemanden gab, den sie um Rat fragen konnte, wird sie wehmütig. „Ich wünschte, es hätte damals jemanden wie Joselyne im Dorf gegeben, das hätte meinen Kindern viel Leid erspart.“ Als David aus dem Krankenhaus entlassen wurde, organisierte Joselyne kalorienreiche Aufbaunahrung, Spinat und Bananen. Und weil seine Mutter die Ratschläge zur Ernährung befolgt, ist David heute ein gesundes Kleinkind.
Nicht alle Eltern schaffen es, die Empfehlungen ihrer Maman Lumière umzusetzen. „Viele stehen früh morgens auf, arbeiten dann den ganzen Tag als Tagelöhner und haben keine Zeit, sich um ihre Töchter und Söhne zu kümmern. Wenn sie dann abends nach Hause kommen, haben die Kleinen oft den ganzen Tag nichts gegessen. Spätestens nach zwei Wochen sind sie krank.“ Wenn Joselyne mitbekommt, dass wieder einmal Kinder sich selber überlassen sind, füttert sie sie mit durch. „Aber das wiederholt sich immer und immer wieder. Es ist schwer, Familien zu erreichen, die ums tägliche Überleben kämpfen. Wir müssen da eine Lösung finden. Vielleicht können wir über die Selbsthilfegruppen reihum die Versorgung organisieren“, meint sie.


„Ich sehe, dass sich meine Arbeit lohnt“
Wenn es jemanden im Dorf gibt, der das auf die Beine stellen kann, dann Joselyne. Sie ist dank ihres Wissens und ihrer zupackenden Art in Ndava eine geachtete Persönlichkeit, der alle viel Respekt entgegenbringen. Auf dem Weg zum Wasserholen wird sie ständig angehalten und schnell um einen Rat gebeten. Immer ansprechbar und verantwortlich zu sein, ist anstrengend. „Aber ich könnte nicht glücklich sein, wenn es Menschen in meiner Gemeinschaft schlecht geht, und ich sehe, dass sich meine Arbeit lohnt“, meint die Maman Lumière.
Sie zeigt auf zwei Kinder, die ihr zuwinken. „Die beiden waren vor einigen Monaten so schwach, dass ich dachte, wir würden sie verlieren. Aber die Eltern befolgten meinen Rat, und die beiden wurden wieder gesund. Das hat mich sehr glücklich gemacht; und da wusste ich wieder einmal, dass ich das Richtige tue.“
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