Hütten bis zum Horizont und Menschen, die nichts haben
Text: Hubert Wolf, Fotos: Jakob Studnar, erschienen in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung am 04. Januar 2020
Cox's Bazar. Viele der geflohenen Rohingya leben schon seit Jahren im Lager. Der Weg zu einer Lösung ist weit. Solange kann man ihnen nur zu überleben helfen.
Sie hat Ismail, ihren einen Sohn, gottlob, doch sonst hat Setara Begum niemanden mehr. Zwei von Setaras Schwestern sollen in anderen Flüchtlingslagern in Bangladesch sein, doch die weiteren Angehörigen und Nachbarn, die mit ihr flohen, die gingen verloren unterwegs. „Es fühlt sich an, als ob man nie mehr zurückkehrt“, sagt sie. Das, was sie sah auf der Flucht, muss man nicht alles schreiben.
Setara (31) und Ismail (12) leben in einer dieser kleinen und dunklen Hütten in „Kutupalong Expansion“, dem größten Flüchtlingslager der Welt im Süden von Bangladesch. Eine Million Rohingya haben hier Zuflucht gesucht, die Armee von Myanmar hat sie aus ihren Dörfern dort vertrieben. Viele leben schon seit über zwei Jahren hier.
Das Lager und die nächste Stadt könnten in unterschiedlichen Universen liegen
Zwischen der nächstgelegenen Großstadt, Cox’s Bazar, und dem Lager liegen 30 Kilometer, aber sie könnten in unterschiedlichen Universen sein: Cox’s Bazar ist eine Urlauberstadt mit endlosen Stränden, Restaurants und einem Flughafen; Kutupalong besteht aus Hütten bis zum Horizont und Menschen, die nichts haben außer Kleidung, Lager-Essen, Schlafmatten und, mit Glück, eine Kochplatte mit Gas für den Reis der Uno.
Die beiden einzigen Straßen, die man nehmen kann von dem einen Universum in das andere, die kann man eigentlich nicht nehmen: Auf ihnen fahren all die Lkw mit den Waren, die die Rohingya brauchen. Eine Million Menschen muss versorgt werden, das ist die Größenordnung von Köln, zusammengequetscht auf 25 Quadratkilometer Flüchtlingslager.
Sie ist erstarrt. Es gibt ein Rückführungsabkommen mit Myanmar, doch das wird nicht umgesetzt. Und Bangladesch lässt die Menschen nicht wirklich ein: Das Land plant einen Zaun und eine Teil-Umsiedlung auf eine sturmumtoste Insel. Dorthin wollen sie nicht. In den Zeitungen diskutieren Fachleute, dass Bangladesch Indien und China überzeugen müsse, Druck zu machen auf Myanmar. Bangladesch ist aber klein, sehr klein.
Von Deutschland aus kann man den Rohingya helfen, zu überleben. Den Eltern, die ihre Kinder ins Schutzzentrum zur Schule schicken, denn „wenn man gebildet ist, kann man es bis nach China schaffen“. Den jugendlichen Mädchen ohne Perspektive, die, gefragt, was sie einmal werden wollen, „Lehrerin“ sagen und „Ärztin“. Den kleinen Kindern, denen man hier beigebracht hat, lauthals „We shall overcome“ zu singen („Wir werden es schaffen“). Wenn sie es verstünden, dann würden sie es sogar glauben in ihrer kindlichen, ahnungslosen Lebensfreude. Es bricht dir das Herz.
Das Spendenkonto
Wir wollen in den Lagern und der Umgebung Kinderschutzzentren bauen, die Versorgung mit sauberem Wasser, Trink- und Waschgelegenheiten verbessern und Kinder mit einer Mahlzeit pro Tag versorgen. Und Sie können helfen:
Empfänger Kindernothilfe IBAN: DE4335 0601 9000 0031 0310
BIC: GENODED1DKD (Bank für Kirche und Diakonie).
Stichwort: Bangladesch