Kindernothilfe. Gemeinsam wirken.

Dank an alle Spenderinnen und Spender, die unsere Projekte dort unterstützt haben
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Kosovo: Rückzug aus der Projektarbeit nach 24 Jahren

Text: Jörg Denker Aufmacherfoto: Roland Brockmann

Nach dem Ende des Kosovo-Krieges hatten junge Leute in ihrer zerstörten Heimat kaum eine Chance auf eine gute Ausbildung. Ein Leben als ungelernte Hilfskräfte war vorprogrammiert. Zusammen mit Partnerorganisationen setzte die Kindernothilfe neue Maßstäbe in der Berufsausbildung und verhalf mehr als
10 000 jungen Frauen und Männern zu einer neuen Zukunft. Inzwischen braucht das Projekt unsere Unterstützung nicht mehr, deshalb haben wir uns Ende 2024 aus dem Kosovo zurückgezogen.

Alles begann mit Mitarbeitenden der christlichen Organisation AMG-Internatonal, die in der albanischen Stadt Vlore ein Kinderheim betrieb. Sie stammten aus dem Kosovo und waren vor dem Krieg ins Nachbarland geflohen. Als der Krieg 1999 endete, folgten diese Männer und Frauen den Strömen der geflohenen kosovarischen Familien zurück in ihre Heimat. Sie wollten auch hier jungen Menschen helfen, ihre Expertise aus dem Projekt in Albanien einbringen.

Sie fanden ein zerstörtes Land vor, das völkerrechtlich immer noch zu Jugoslawien gehörte, ein Land ohne Regierung, das gerade von westlichen Armeen und einer völlig überforderten UN- Administration übernommen wurde. Dörfer und ganze Städte waren von der serbischen Armee niedergebrannt, das Ackerland vermint.

Die AMG-Mitglieder gelangten bis nach Mitrovica: ein Symbol des Konfliktes, eine geteilte Stadt, im Norden bis heute größtenteils serbisch mit starker nationalistischer Kontrolle durch Serbien. Im Süden leben die albanische Bevölkerung und die Roma-Minderheit. Es gab keine Familie, die nicht jemanden aus der Verwandtschaft oder dem Freundeskreis im Krieg verloren hatte. Und sie fanden junge Menschen, denen der Krieg ihre Chance auf Bildung und Ausbildung genommen hatte. Hier wollten sie ansetzen mit ihrem neuen Projekt.


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Ein Lehrer mit Auszubildenden im Diakonie-Ausbildungszentrum Mitrovica (Quelle: Roland Brockmann)
Endlich haben junge Menschen eine Chance, eine qualifizierte Ausbildung zu machen (Quelle: Roland Brockmann)
Ein Lehrer mit Auszubildenden im Diakonie-Ausbildungszentrum Mitrovica (Quelle: Roland Brockmann)
Endlich haben junge Menschen eine Chance, eine qualifizierte Ausbildung zu machen (Quelle: Roland Brockmann)

Ein Hoffnungsprojekt in einer zerrissenen Stadt

„Viele Kinder in der Stadt werden überhaupt nicht gefördert, und ihre Mütter haben keine Arbeit. Diese Familien müssen mit rund 100 Mark öffentlichen Zuschüssen im Monat leben“, berichtete damals Peter Hoffmann, Leiter des neuen AMG-Projekts im Kosovo. „Von den rund 120 000 Menschen in Mitrovica sind rund 70 Prozent unter 25 Jahren. Was sollen diese Kinder und Jugendlichen den ganzen Tag machen? Für sie gibt es absolut nichts in dieser Stadt zu tun.“

Die Kindernothilfe kam im Jahr 2000 in Kontakt mit Peter Hoffmann und beschloss, genau hier, wo der Konflikt bis heute schwelt, ein berufsbildendes Zentrum mit Fokus auf Handwerk aufzubauen. Gründe für diese Form von Bildungseinrichtung lagen auf der Hand: Der Kosovo hatte eine Arbeitslosenquote von über 80 Prozent bei jungen Erwachsenen. Viele der jungen Menschen verließen und verlassen immer noch das Land, um in der EU eine lebenswertere Zukunft zu finden.

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Ein buntbemaltes Haus (Quelle: Roland Brockmann)
Das Ausbildungszentrum in Mitrovica (Quelle: Roland Brockmann)
Ein buntbemaltes Haus (Quelle: Roland Brockmann)
Das Ausbildungszentrum in Mitrovica (Quelle: Roland Brockmann)

Eine der modernsten Schulen auf dem ganzen Westbalkan

Das neue Bildungszentrum setzte ab 2001 mit einem bisher im Kosovo unbekannten Konzept neue Maßstäbe: Es ging hier nicht nur um rein theoretische Wissensvermittlung, sondern auch um die praktische Anwendung. „Das Projekt kooperierte von Anfang an erfolgreich mit Firmen, sodass Ausbildungen immer auch mit Praktika verbunden werden konnten“, berichtet Ute Rabenau, Kindernothilfe Projektkoordinatorin u. a. für den Kosovo , „mit diesem Ansatz ist die berufsbildende Schule in Mitrovica alleinstehend im Kosovo, wo weiterhin das Berufsbildungssystem ausschließlich Theorie lehrt. Sie ist heute sogar eine der modernsten und fortschrittlichsten Ausbildungsstätten im ganzen Westbalkan.“ Die jungen Leute können hier Handwerksberufe in den Bereichen Heizungstechnik, Elektrik, Klempnerei, Maurer- und Malerhandwerk lernen.
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Ein Auszubildender bei der Arbeit (Quelle: Roland Brockmann)
Ein Azubi lernt den Beruf des Klempners (Quelle: Roland Brockmann)
Ein Auszubildender bei der Arbeit (Quelle: Roland Brockmann)
Ein Azubi lernt den Beruf des Klempners (Quelle: Roland Brockmann)

Die einzige Zukunftschance, die der Kosovo hat

2010 übernahm die Diakonie Kosovo die Leitung des Bildungszentrums. Sie arbeitete schon seit 2005 in Mitrovica und betrieb hier z. B. ein Jugendzentrum für Mädchen und Jungen aller Nationalitäten und Religionen, das ebenfalls einige Jahre von der Kindernothilfe unterstützt wurde. Durch die Diakonie kamen weitere Ausbildungsangebote hinzu: Büroadministration, Schneider- und Modedesign sowie eine eigene Kochschule. Jetzt hatten auch jungen Frauen die Möglichkeit, in die Berufswelt einzusteigen. Sogar Minderheiten wie serbische Jugendliche, Roma und Ashkali nahmen an den Kursen teil.

Anfang 2024 flammten im Norden des Kosovo neue Unruhen auf. Sie haben die mühsame Arbeit der Zusammenführung junger Menschen aus dem serbischen und dem albanischen Volk leider unterbrochen. Es gibt zurzeit keine serbischen Jugendlichen oder junge Erwachsene, die die verschiedenen Angebote in den Zentren der Diakonie annehmen. Doch unser Partner bleibt am Ball, um die erfolgreiche Arbeit fortführen zu können. Das Zusammenbringen von Angehörigen beider Völker ist die einzige Zukunftschance, die der Kosovo hat.

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Azubis lernen das Friseurhandwerk (Quelle: Kindernothilfepartner)
Junge Frauen können in Mitrovica das Friseurhandwerk lernen (Quelle: Kindernothilfepartner)
Azubis lernen das Friseurhandwerk (Quelle: Kindernothilfepartner)
Junge Frauen können in Mitrovica das Friseurhandwerk lernen (Quelle: Kindernothilfepartner)

Erfolge aus 24 Jahren Projektarbeit

Mehr als 10 000 junge Leute haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Zentrum eine zertifizierte Ausbildung absolviert. Über 80 Prozent von ihnen konnten sehr schnell im Kosovo eine Arbeit finden. Diejenigen, die sich später vielleicht entschließen, in der EU eine Zukunft zu suchen, können mit einer guten Ausbildung legal auf dem europäischen Arbeitsmarkt Fuß fassen.


Der junge kosovarische Staat schafft immer mehr eigene Strukturen und übernimmt Verantwortung. Selbst Premierminister Albin Kurti besuchte 2023 das Ausbildungszentrum und war begeistert. Seit einigen Jahren unterstützt die Stadt Mitrovica das Zentrum finanziell. Durch weitere Zuschüsse aus Deutschland ist die Finanzierung gesichert, bis der kosovarische Staat und die lokale Zivilgesellschaft vollständig die Verantwortung übernehmen können. Deshalb können wir uns nach 24 Jahren zurückziehen. Wir wissen das Projekt in professionellen Händen.

Wir danken der Diakonie Kosovo, die auch weiterhin vor Ort den Menschen mit ihrer so erfolgreichen Arbeit zur Seite steht! Tung e gjithe te mirat! Tschüs und alles Gute! Ein herzliches Dankeschön auch an alle Spenderinnen und Spender, die es uns ermöglicht haben, die Arbeit im Kosovo 24 Jahre lang zu unterstützen.

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Profilbild von Jörg Denker (Quelle: Jakob Studnar)

Jörg Denker

Referatsleiter Asien & Osteuropa

0203 7789 135

joerg.denker@kindernothilfe.de

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