Weihnachtsaktion 2021: Schutzhaus auf Lesbos errichtet
Text: Thomas Mader Bilder: Lars Heidrich
Die WAZ-Weihnachtsaktion in diesem Jahr gilt den Flüchtlingskindern aus Myanmar. Aber natürlich wollen Sie wissen, was mit Ihren Spenden aus den Vorjahren geschehen ist. 2021 haben die WAZ-Leserinnen und Leser 333.300 Euro für ein Schutzhaus auf Lesbos gespendet. Das war damals Rekord! Die griechische Insel ist seit langem Ziel von Flüchtlingen aus vielen Ländern wie Syrien, Afghanistan, Irak, Iran und Eritrea. Denn nur etwa 12 Kilometer Meer trennen Lesbos von der Türkei. Das Schutzhaus wurde nun von der Kindernothilfe und ihren lokalen Partnern gebaut.
Die Schauspielerin Valerie Niehaus war als Botschafterin der Kindernothilfe vor Ort. Bekannt wurde sie mit dem im Ruhrgebiet spielenden Mehrteiler „Rote Erde“ und der Seifenoper „Verbotene Liebe“, heute kann man sie zum Beispiel als Comedian in der heute-Show sehen und in der ZDF-Herzkino-Reihe „Nächste Ausfahrt Glück“.
Sie haben Lesbos besucht. Was haben Sie erlebt?
Valerie Niehaus: Wir haben im September das Schutzhaus eröffnet, mit einer kleinen, feierlichen Veranstaltung für die Menschen, die diesen Ort geschaffen haben. Es ist ein Haus, in dem Frauen und Kinder nach ihrer Flucht zur Ruhe kommen können. Sie können dort ausatmen und Kraft schöpfen für das, was noch vor ihnen liegt. Es ist ein sicheres Haus, auch weil es in der Stadt nicht als Ort für Geflüchtete auffällt. Es ist großartig gearbeitet. Es gibt viele Rückzugsorte: einzelne Zimmer, gemeinsame Wohnküchen und einen Außenbereich. Bei der Eröffnung waren auch Vertreter von Ärzte ohne Grenzen und von der Uno. Alle haben betont, wie wichtig solche Orte für die psychische Gesundheit der Menschen sind.
Hatten Sie Gelegenheit, mit Betroffenen zu sprechen, die dort einziehen?
Niehaus: Ja, aber man darf nicht vergessen: Viele Menschen dort haben traumatische Erfahrungen gemacht. Einige haben mir dennoch von ihren Schicksalen erzählt. Es gibt dort Frauen und Kinder, die seit zwölf Jahren auf ihre Papiere warten und nirgendwo hin können. Andere versuchen, den großen Lagern auf Lesbos fernzubleiben, weil sie wissen, dass sie dort verloren sind. Die Gewalt in den Lagern ist enorm, besonders gegen Frauen und Kinder. Einige wurden auf der Flucht geboren, andere waren noch sehr klein, ihre Mütter sind unglaublich verwundbar gewesen. Wir haben mit Menschen gesprochen, die in den Lagern waren und, so muss man es sagen, gerade überlebt haben. Solche Schutzorte sind daher essenziell.
Niehaus: Das Schutzhaus bietet Frauen und Kindern die Möglichkeit, sich in die Gemeinschaft auf Lesbos zu integrieren, Arbeit zu finden und ein Gefühl von Zugehörigkeit entwickeln. Es ist ein erstes Zuhause. Die Frauen dort haben mir erzählt, wie wichtig es ist, ein festes Dach über dem Kopf zu haben und ein Bad, das man abschließen kann. In den Lagern gibt es wenig Essen und unzureichende Hygienesituationen, man schläft auch kaum, weil es immer die Gefahr gibt, dass man angegriffen wird.
In diesem Jahr sammeln wir mit unserer Weihnachtsaktion für Kriegskinder aus Myanmar. Die Kindernothilfe unterstützt zwei Schulen, die von Geflüchteten für Geflüchtete geschaffen wurden. Mit den Spenden der WAZ-Leserinnen und -Leser werden Lehrerstellen, Schulessen und eine bessere Unterbringung im Internat finanziert. Aber Myanmar ist weit weg. Warum sollte man trotzdem solche Konflikte nicht aus den Augen verlieren?
Niehaus: Jeder muss für sich ethisch-moralisch beantworten, welche Kriterien er oder sie anlegt. Ich akzeptiere erstmal alles, Hauptsache wir hören nicht auf, grundsätzlich zu helfen. Aber was würde ich zu einer Person sagen, der das zu weit weg ist? ... Vielleicht dies: Im Grunde geht es auch auf Lesbos um sehr weit gereiste Menschen. Wir haben diese Welt aufgeschlossen mit Handel, Reisen und Vernetzung – und das können wir nicht mehr zurückdrehen. Es geht nicht um Schuld, sondern um Verantwortung. Auch wenn Myanmar weit weg ist, betrifft es uns alle. Wir sollten über den eigenen Tellerrand schauen und helfen, dass das, was die Menschen ihr Zuhause nennen, schön bleibt. Dass es demokratisch wird. Damit sie dort sein und leben können. Es ist zu kurz gedacht, sich den Realitäten von Krieg, Klimakrise und Vertreibung entziehen zu wollen. Das Schicksal der Welt betrifft uns. Und ja, bei all dem geht es auch darum, menschlich zu bleiben.
Warum engagieren sie sich für die Kindernothilfe?
Niehaus: Die Kindernothilfe arbeitet immer mit lokalen Partnern zusammen. Das finde ich überzeugend. Die Menschen vor Ort zu unterstützen, ist unheimlich sinnvoll. Bildung spielt dabei eine große Rolle. Menschen, die lesen lernen, können zum Beispiel über ihre Arbeitsverträge entscheiden. Sie können besser Ja oder Nein sagen und gewinnen mehr Kontrolle über ihr Leben. Hilfe zur Selbsthilfe ist wichtig, damit die Menschen sich ihrer Situation stellen können.