Hilfe für Kinder aus Myanmar
Krieg in Myanmar
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Wie die Mafia an Flüchtlingskindern verdient
Text: Thomas Mader, WAZ Bilder: Lars Heidrich
Mae Sot. Die wahrscheinlich größten Betrugsfabriken der Welt stehen in Myanmar. Sie locken Kinderarbeiter an. Aber eine Frau hält dagegen.
Früher gerieten immer wieder Kinder auf die andere Seite des Flusses. Ihre Spur verlor sich in den Casinos der Mafia, die im rechtlosen Grenzgebiet von Myanmar streuen wie Krebs. Ampika Saibouyai hat versucht zu ermitteln, was aus den Schülern wird, die vor dem Krieg in Myanmar nach Thailand geflohen sind – und die nun vom schnellen Geld zurückgelockt werden in das Herz der Finsternis.
Den Flüchtlingskindern aus Myanmar gilt unsere WAZ-Weihnachtsaktion. Wir sammeln Spenden, damit sie in der thailändischen Grenzstadt Mae Sot in Sicherheit leben und lernen können. Dazu gehört, sie und ihre Eltern zu stärken, damit sie nicht dem Ruf der Mafia folgen. Genau das versucht Ampika. Die 48-Jährige hat lange für die Unesco gearbeitet und dann „Rights Beyond Border“ gegründet. Diese Hilfsorganisation ist der lokale Partner der Kindernothilfe aus Duisburg und sorgt dafür, dass Ihre Spenden, liebe WAZ-Leserinnen und Leser, zu Lehrerstellen, Verpflegung und besserer Unterbringung werden. Zudem hat Ampika eine Kampagne mit Aufklärung und Schulungen zu Kinderrechten gestartet, um Lehrer, Eltern und Kinder vor den Gefahren in den „Casinos“ zu warnen.
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Online-Betrug und Organ-Handel
„Mit Spielbanken hat alles angefangen im Jahr 2017“, erinnert sich Ampika. Doch nun hat das Verbrechen industrielle Ausmaße angenommen: Online-Betrug, Sklaverei und Vergewaltigungen – all das ist Alltag in Shwe Kokko und KK Park. Dies sind nur die zwei nächsten von mindestens 17 Betrugsfabriken, die sich auf 50 Kilometern am Grenzflüsschen Moei aufreihen. Von Thailand aus wirken diese Verbrechensstädte mit ihren Bürotürmen und den einkaufscenterartigen Klötzen moderner und mächtiger als die Provinz-Strukturen von Mae Sot.
Von hier aus wird die Welt mit betrügerischen Mails, Kurznachrichten, Anrufen und Fake-Profilen überschwemmt, mit Liebesschwindel, Schneeballsystemen und Schock-Drohungen. Zusammen kommen allein die „Scam Center“ um Mae Sot laut dem US-Friedensinstitut USIP auf fünf Millionen Quadratmeter „criminal office space“. Das ist fast so viel Bürofläche, wie Essen und Dortmund zusammen aufbringen! Nicht nur wegen der Abermillionen Geschädigten bezeichnet USIP diese Verbrechensindustrie als globale Bedrohung – auch in Deutschland sind bereits hunderte Fälle angezeigt worden, die nach Myanmar zurückverfolgt werden konnten.
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Dafür werden Zigtausende Betrugsarbeiter gebraucht, die wenigsten machen den Job freiwillig. Belegt sind zahlreiche Fälle von Menschen aus China, Bangladesch oder Uganda, die mit Jobversprechen gelockt und dann versklavt wurden. Von Zeit zu Zeit landet einer mit schweren Verletzungen vom Sprung aus dem Fenster oder mit Foltermahlen im Krankenhaus von Mae Sot. Mit Stromstößen und Schlägen werden sie zum Betrug in „Callcentern“ geknechtet – und mit Drohungen. Unter entkommenen „Cybersklaven“ herrscht die Überzeugung, dass man bei Verweigerung „ausgeschlachtet“ werde, um die Organe zu verkaufen . . . Und was darf ein Flüchtlingskind in dieser Welt erwarten?
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Ampika ist eine mutige Frau. Eines Abends vor der Pandemie haben sie und eine Mitarbeiterin sich in Schale geworfen, um als Glücksspielerinnen durchzugehen. Dann sind sie übergesetzt mit einem der illegalen Boote und hineinspaziert in eines der alten Casinos. „Wir haben uns getrennt, um nicht aufzufallen und um aufeinander aufpassen zu können“, sagt Ampika. „Die vier Kinder, die wir suchten, haben als Kellnerinnen und Kellner zwischen den Spieltischen gearbeitet. Aber wir konnten sie nicht dort ansprechen. Nach ihrer Schicht haben wir sie auf dem Parkplatz abgefangen, das war gefährlich genug.“
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Kinder verdienen mehr als die Eltern
Die Mädchen und Jungen berichteten von verbalen sexuellen Übergriffen und von Schlägen, wenn sie etwas nicht zur Zufriedenheit ausgeführt hatten. Dennoch wollten sie weiter im Casino arbeiten – und dafür die Schule abbrechen. Die 13- bis 15-Jährigen bekamen fast zweihundert Euro Lohn im Monat. Das liegt zwar deutlich unter dem Mindestlohn in Thailand, ist aber weit mehr, als Flüchtlinge verdienen. (Sie leben in einer rechtlichen Grauzone und werden oft ausgebeutet.) Auch die Eltern hat Ampika ein halbes Jahr lang versucht zu überzeugen. „Aber sie sagen den Lehrern: Mein Kind verdient doppelt so viel wie ich. Dagegen kamen wir nicht an.“
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Der Aufstieg der Verbrechensstädte ist eng verknüpft mit dem Bürgerkrieg in Myanmar. In dem Vielvölkerstaat kämpfen ethnische Gruppen seit der Unabhängigkeit 1948 gegen die Militärdiktatur. In den Nuller-Jahren bot das Militär vielen Rebellen an, die Seiten zu wechseln. Dafür durften sie in ihrem Herrschaftsbereich walten, wie sie wollten. Die Milizen nannten sich nun „Border Guard Force“ (BGF), aber die Anbindung dieser „Grenzschutztruppen“ ans Militär besteht im Wesentlichen darin, ihre illegalen Einnahmen zu teilen. In der Peripherie bildeten sich Dutzende „Fürstentümer“.
Der „Warlord“, der gegenüber von Mae Sot regiert, heißt Oberst Saw Chit Thu und erwies sich als besonders geschäftstüchtig. Er errichtete zuerst Casinos, dann lud er 2019 die chinesische Mafia ein. Die „Yatai International Holding“ aus Hongkong und ein weiterer Mafiaboss mit Spitznamen „Broken Tooth“ investierten massiv. Der Militärputsch in Myanmar vor drei Jahren wirkte als Brandbeschleuniger.
Gigantische Gewinne
Dabei gibt es internationalen Druck. Der Chef der Yatai-Gruppe wartet in einem Thai-Gefängnis auf seine Auslieferung nach China, und „Broken Tooth“ ist untergetaucht. Erst Ende Oktober hat die EU auch den Kriegsfürsten Chit Thu mit Sanktionen belegt, aber der hat seine Armee mittlerweile mit den modernsten Waffen ausgestattet. Er kann sich der Unterstützung von Myanmars Junta gewiss sein, denn die Betrugsfabriken generieren Schätzungen zufolge mehr Devisen als der Drogenschmuggel (den die Warlords ebenfalls betreiben). Dem USIP-Institut zufolge stiehlt die Betrugsindustrie von Myanmar, Laos und Kambodscha aus jährlich 44 Milliarden Dollar in aller Welt – konservativ geschätzt. Das entspricht dem halben Bruttoinlandsprodukt der drei Staaten. Hinzu kommen Geldwäsche und das illegale Online-Glücksspiel in womöglich noch größerer Dimension.
Mit seinem Anteil finanziert das Militärregime den Bürgerkrieg. Und dieser kurbelt die Betrugsfabriken an – es ist ein Teufelskreis. Auch darum gilt der Fall der Verbrechensstadt Kokang als Wendepunkt des Konflikts. Im Oktober 2023 überrannte ein Bündnis dreier Rebellengruppen diese weiter nördlich gelegene Betrugsfabrik. Die „Operation 1027“ entzog dem Regime Einnahmen und führte zu einem konzertierten Vorgehen der Rebellen, die danach ein Gebiet nach dem anderen einnahmen.
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Die Junta soll nur noch den kleineren, aber wichtigeren Teil von Myanmar kontrollieren. Shwe Kokko gehört indirekt dazu. Als Kokang fiel, zogen 45.000 Menschen – Aufseher wie Sklaven – in die Schwesterstadt, die daraus gestärkt hervorging. Im April 2024 versuchten die Rebellen darum auch hier einen Überraschungsangriff. Die Detonationen haben Ampika Saibouyais Büro in Thailand erschüttert. Die geflüchteten Kinder in den Schulen, die wir unterstützen, zitterten und weinten, zurückgeworfen in ihre Kriegserinnerungen.
Was aus den vier Jugendlichen im Casino geworden ist, weiß Ampika nicht. „Wir haben keine Belege, dass Kinder in die Prostitution gezwungen werden. Aber wir wissen, dass für die Aufseher und Bosse ständig neue Prostituierte gebracht werden.“ In jedem Fall sind die Kinder der Willkür von Verbrechern ausgeliefert, jederzeit droht der nächste Rebellenangriff und langfristig haben sie die Zukunft verloren, die ihnen allein Schulbildung bieten kann.
Andersherum sind die Schulen, die Ampika und die Kindernothilfe mit den Spenden der WAZ-Leserinnen und -Leser unterstützen, das einzige Mittel, um den Teufelskreis zu durchbrechen: Bildung schafft Zuversicht. Die Kampagne gegen die „Casinos“ funktioniert nur, weil die Schulen so gut arbeiten. Seit sie läuft, hat Ampika kein Kind mehr an die Mafia verloren.
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So können Sie spenden
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